Marcolinipalais

Nachdem Kurfürst Johann Georg II. 1670 Teile der Ostraer Fluren zur Bebauung freigegeben hatte, erwarben Mitglieder des Hofes hier einige Grundstücke und legten darauf Sommergärten an. Auch das spätere Marcolinipalais geht auf einen solchen Sommersitz zurück und entstand in seiner Ursprungsform Anfang des 18. Jahrhunderts. Zu den ersten Eigentümern gehörten der Oberhofmarschall Herrmann von Wolframsdorf sowie der Kammerherr August von der Sahle. Von diesem erbte es die Gattin des sächsischen Oberlandbaumeisters Starcke, die sich hier ein Lusthaus errichten ließ. Weitere Grundstücke befanden sich im Besitz der Familien von Ponickau, Spahn und Freyer.

1718-1721 erwarb Reichsgraf Ernst Christoph von Manteuffel gemeinsam mit seiner Frau drei Grundstücke und ließ diese mit einer 2,30 Meter hohen Mauer einfassen. Hier gründete 1720 seine Frau ein Malz- und Brauhaus, zu dem auch ein Wohnhaus, eine Schankwirtschaft, mehrere Nebengebäude und ein großzügiger Garten gehörte. Am 11. Januar 1726 kaufte August der Starke das Grundstück und überließ es ein Jahr später dem Herzog Friedrich Ludwig zu Württemberg, dessen Frau, die Gräfin Lubomirska, einige Jahre Mätresse des Kurfürsten war. Die Pläne für das 1727/28 errichtete Barockschlößchen stammen vermutlich von Johann Christoph Naumann.

1736 erwarb der sächsische Minister Graf  Heinrich von Brühl das Areal und ließ es unter Einbeziehung des vorhandenen Gebäudes zu einer großzügigen Gartenanlage umgestalten. Die Arbeiten leitete Oberlandbaumeister Johann Christoph Knöffel unter Mitwirkung namhafter Bildhauer. Den Festsaal gestaltete Stefano Torelli mit illusionistischen Wandmalereien. Die durch den Ankauf benachbarter Flächen deutlich erweiterte Parkanlage wurde mit einer Orangerie, einer Schießbahn, verschiedenen Wasserspielen und Skulpturen und einem Gartentheater ausgestaltet. Prunkstück war der am Ende der Hauptachse stehende Neptunbrunnen. Brühl nutzte das Palais als Sommerresidenz und Schauplatz für prunkvolle Feste. Zu den Höhepunkten gehörte die Doppelhochzeit des sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian mit Maria Antonia Walpurga von Bayern sowie des bayrischen Kurfürsten Max III. Joseph mit Prinzessin Maria Anna am 17. und 23. Juni 1747. Zwischen Mai und Oktober 1761 bezog der österreichische Feldmarschall Daun das Gebäude als Quartier seines Generalstabs.

Nach Brühls Tod 1763 stand das Palais zunächst einige Jahre leer, bevor 1774 der sächsische Kabinettsminister und Direktor der Porzellanmanufaktur Graf Camillo Marcolini das Anwesen kaufte und es durch die Baumeister Johann Gottfried Kunsch und Johann Daniel Schade aufstocken und um neue Seitenflügel erweitern ließ. Dabei entstanden die offene Laterne auf dem Zentralbau und der vorgelagerte Ehrenhof. Aus dieser Zeit stammen auch die Bezeichnung Marcolinipalais für den einstigen Brühlschen Wohnsitz und die über dem Haupteingang angebrachten Wappen Marcolinis und seiner Frau, der Baronin Marie Anna O´Kelly. Die Bildhauerarbeiten übernahmen Johann Baptist Dorsch und Thaddäus Ignatius Wiskotschill. Dabei war Dorsch Schöpfer der beiden Löwen am Haupteingang und der Hermen mit Vasen an der Gartenseite des Westflügels. Wiskotschill fertigte die noch vorhandenen vier Hermen an der Straßenseite sowie sechs Sandsteinplastiken im Garten. Vier dieser Figuren wurden um 1850 zur Bürgerwiese versetzt. Die beiden im Klinikgelände verbliebenen stellen die Königin der Skythen Tomiris sowie Themistokles dar, der 480 v. Chr. die Perser in der Schlacht bei Salamis schlug. Christian Traugott Weinlig schuf im Inneren des Marcolinipalais einige bemerkenswerte klassizistische Wand- und Deckenmalereien. Aus dieser Zeit stammen die Raumgestaltungen des Chinesischen und des Pompejanischen Zimmers.

Zwischen dem 10. Juni und 15. August 1813 wohnte Napoleon während seines Dresdner Aufenthaltes, mit einer Unterbrechung, im Marcolinipalais. Hier fand am 26. Juni 1813 das bedeutsame Treffen mit dem österreichischen Außenminister Fürst von Metternich statt. Während des Gespräches im chinesischen Zimmer soll Napoleon seinen Hut vor Wut auf den Boden geschleudert haben. Entgegen den diplomatischen Regeln hob Metternich den Hut nicht auf, was einer Kriegserklärung gleichkam. Im Ergebnis der Gespräche schloss sich Österreich den Verbündeten an und leitete damit die Niederlage des Franzosenkaisers ein.

Nach dem Abzug Napoleons und dem Tod Marcolinis 1814 stand das Marcolinipalais erneut einige Jahre leer, bevor es 1835 vom Dresdner Stadtrat und Hofbuchdrucker Carl Ernst Werner erworben wurde. Werner vermietete die Räume an wohlhabende Bürger und ausländische Besucher Dresdens. 1842 ließ er das Orangeriegebäude aufstocken und vergrößern. Im Ostflügel richtete der Bildhauer Ernst Julius Hähnel sein Atelier ein. Er schuf u.a. das Körner-Denkmal am Georgplatz und einige Figuren für die erste Semperoper. Auch Richard Wagner wohnte zwischen 1847-49 im zweiten Stock des Marcolinipalais und arbeitete hier an seinem “Lohengrin”. An ihn erinnert heute eine Gedenktafel.

1845 erwarb die Stadt Dresden das Palais für 62.000 Taler von den Erben Werners, um hier ein Stadtkrankenhaus einzurichten. Während des Dresdner Maiaufstandes 1849 war im Gebäude ein provisorisches Lazarett für Verwundete untergebracht, bevor das neue Krankenhaus am 27. November offiziell seinem Zweck übergeben wurde. Unter Einbeziehung weiterer Gebäude, u. a. des ehemaligen Manteuffelschen Brauhauses, wurde das Friedrichstädter Krankenhaus mehrfach erweitert und dient bis heute seinem Zweck.

Einzelne Bauten (bis 1849):

Marcolinipalais: Das zweigeschossige Hauptgebäude geht im Kern auf ein 1727 von Johann Christoph Naumann erbautes Schlösschen zurück. Nach dem Verkauf des Areals an den Grafen Brühl ließ dieser das Gebäude ab 1746 durch Oberlandbaumeister Johann Christoph Knöffel umbauen und erweitern. Dabei entstanden u.a. die beiden Seitenflügel (Foto) und der noch erhaltene Festsaal. Im Inneren gab es lediglich wenige Repräsentationsräume, da das Palais ausschließlich als Aufenthalt bei sommerlichen Vergnügungen gedacht war. Ein weiterer Umbau erfolgte unter Graf Marcolini ab 1774. Diese Baumaßnahmen leitete Johann Daniel Schade unter Mitwirkung des Amtsmaurermeisters Johann Gottfried Kunsch. In diesem Zusammenhang erhielt das Palais im wesentlichen sein heutiges Aussehen.

Der frühere Haupteingang ist von einem kleinen Ehrenhof umgeben, der von zwei Löwenplastiken flankiert wird. Unter dem von Pfeilern getragenen Vordach befindet sich ein von Gottfried Knöffler geschaffener Delphinbrunnen. Im Inneren sind noch einige Reste der früheren Innenausstattung erhalten. Der Festsaal mit seiner klassizistischen Ausstattung dient heute für verschiedene Veranstaltungen.

Bemerkenswert sind auch das sogenannte “Chinesische” und das “Pompejanische” Zimmer. Diese Raumdekorationen entstanden nach 1780 im Auftrag Marcolinis und stammen von Johann Ludwig Giesel und Christian Traugott Weinlig. Beide Räume dienten hauptsächlich repräsentativen Zwecken, das Pompejanische Zimmer soll zeitweise auch als Schlafzimmer genutzt worden sein. Ihren Namen erhielten sie nach den Wanddekorationen mit asiatischen Landschaftsbildern bzw.antiken Darstellungen im Stil der Römerzeit. Die Tapeten wurden um 1780 in China gefertigt und durch die Holländische Ostindien-Kompanie nach Sachsen verbracht. Im Chinesischen Zimmer (Foto) fand am 26. Juni 1813 das Treffen zwischen Napoleon und Fürst Metternich statt.  In den letzten Jahren erfolgten Restaurierungsarbeiten. Eine Besichtigung ist nur im Rahmen einer Führung möglich.

Neues Brühlsches Palais: Nach Fertigstellung der großzügigen Gartenanlagen und Kleinbauten plante Brühl 1754, das nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprechende Palais durch einen Neubau ersetzen zu lassen. Das schlossartige Gebäude sollte wie sein Vorgänger hauptsächlich dem Aufenthalt bei sommerlichen Vergnügungen dienen und aus einem eingeschossigen Gebäude bestehen, in dessen erhöhtem Mittelteil ein großer Festsaal vorgesehen war. Die Planungen stammten von Friedrich August Krubsacius. Mit Ausbruch des Siebenjährigen Krieges wurden jedoch alle Planungen eingestellt und der Bau letztlich nicht realisiert.

Orangerie: Die ehemalige Orangerie wurde nach 1736 für die Unterbringung exotischer Gewächse des Palaisparks errichtet und befand sich unmittelbar an der heutigen Friedrichstraße. Der Garten Brühls gehörte seinerzeit zu den beeindruckendsten privaten Parkanlagen in Sachsen. In den Sommermonaten wurde sie auch als Speisesaal genutzt. Napoleon ließ in den Räumen während seines Aufenthalts ein kleines Theater mit 200 Zuschauerplätzen einrichten. 1842 wurde die nicht mehr benötigte Orangerie vom damaligen Besitzer des Marcolinipalais aufgestockt und für Wohnzwecke umgebaut. Heute nutzt das Krankenhaus dieses Gebäude (Haus A).

Neptunbrunnen: Die repräsentative barocke Brunnenanlage wurde als Blickfang der Hauptachse 1741-44 nach Entwürfen von Zacharias Longuelune vom italienischen Bildhauer Lorenzo Mattielli geschaffen. Der Neptunbrunnen gilt als großartigste Brunnenanlage Dresdens und besteht aus drei bis zu 40 Meter breiten Brunnenbecken, welche von einer Neptungruppe und verschiedenen Nebenfiguren bekrönt werden. Diese symbolisieren u.a. den Windgott sowie die Flüsse Tiber und Nil. Im Zentrum der Brunnenanlage befindet sich die Plastik des Meeresgottes selbst, welcher auf einem Muschelwagen steht und einen Lorbeerkranz in der Hand hält. Hinter ihm sitzt seine Gattin Amphitrite, begleitet von zwei Hippokampen und den Figuren des Amoretto und der Nereide. Bemerkenswert sind außerdem zwei Relieftafeln an den seitlichen Postamenten. Die Tafel am Sockel des Flussgottes Tiber zeigt bedeutende Bauwerke Roms mit den sagenhaften Stadtgründern Romulus und Remus sowie am gegenüberliegenden Sockel des Nils eine von Kindern umgebene Sphinx mit den ägyptischen Pyramiden und einem Obelisken.

Die Wasserversorgung der Anlage erfolgte in den Anfangsjahren über ein Röhrensystem, welches von der Gorbitzer Höhe in ein Brunnenhaus an der Wachsbleichstraße führte. Dort gab es ein von Ochsen betriebenes Göpelwerk, welches das Wasser schließlich zum Brunnen transportierte. Bauliche Schäden führten 1817 zur Stilllegung, so dass der Brunnen trocken lag. Erst 1875 wurde der Neptunbrunnen an das öffentliche Leitungsnetz angeschlossen und konnte nun zumindest stundenweise wieder in Betrieb gesetzt werden. In diesem Zusammenhang erfolgte unter Leitung des Bildhauers Robert Henze eine umfassende Restaurierung des Neptunbrunnens. Dabei tauschte man den stark verwitterten Lorbeerkranz in Neptuns Hand gegen einen Dreizack.

Leider ging durch die im 19. und 20. Jahrhundert errichteten Erweiterungsbauten des Krankenhauses die ursprüngliche Blickbeziehung verloren, so dass wiederholt eine Umsetzung des Brunnens an einen repräsentativeren Standort erwogen wurde. Um das barocke Kunstwerk besser zugänglich zu machen, plante die Stadt bereits 1902 eine Versetzung der gesamten Brunnenanlage. Entsprechende Untersuchungen unter Zuhilfenahme eines eigens angefertigten Gipsmodells brachten jedoch keine Resultate. Als mögliche Standorte waren u.a. der Zwingerwall und die Bürgerwiese im Gespräch. 1930 wurden diese Planungen nochmals aufgegriffen, aus finanziellen Gründen jedoch nicht umgesetzt. Auch der Vorschlag Hans Nadlers aus dem Jahr 1952, der eine Verlegung in die Gartenanlagen des Japanischen Palais anregte, blieb eine Vision, ebenso wie eine in den 1980er Jahren erwogenen Umsetzung in den Park des Hotels “Bellevue” am Königsufer. 2009 begann eine umfassende Sanierung des Brunnens, teilweise mit Hilfe von Fördermitteln der EU und privaten Spenden..Nach deren Abschluss im Mai 2013 wurde der Neptunbrunnen wieder in Betrieb genommen und ist heute zu bestimmten Zeiten in Funktion zu erleben.

Küferbrunnen und Gartenplastiken: Der auch als Winzerbrunnen bezeichnete kleine Brunnen (Foto) entstand im 18. Jahrhundert und zeigt der Legende nach den trunkenen Kellermeister des Grafen Marcolini auf einem Weinfass. Entstehungsjahr und Schöpfer sind  unbekannt, Experten datieren die Plastik entweder auf die Zeit um 1730 oder um 1780. Ausführende Bildhauer könnten demnach entweder Gottfried Knöffel oder Thaddäus Ignatius Wiskotschill gewesen sein. Alte Gartenpläne belegen, dass es zur Zeit Graf Brühls noch keinen Brunnen an dieser Stelle gab und dieser erst später hier aufgestellt wurde. Grundlegende Sanierungsarbeiten fanden 1982-85 und 1994 statt.

In seiner Nähe befinden sich zwei weitere Plastiken, die ebenfalls von Thaddäus Ignatius Wiskotschill geschaffen wurden. Sie stellen den griechischen Helden Themistokles sowie die skytische Königin Tomyris dar. Hinzu kommt eine steinerne Vase mit einer Reliefdarstellung von Ovids “Metamorphosen”. Diese stammt vermutlich aus einer Serie von mindesten sechs weiteren Sandsteinvasen und wurde 1999 durch eine Kopie ersetzt. Das Original ist jetzt im Foyers des Hauptgebäudes ausgestellt.

Die meisten Bildwerke aus dem einstigen Brühlschen Gartens fanden bereits 1854 im Park der Sekundogenitur an der Zinzendorfstraße ihren neuen Standort. Heute sind sie u. a. am Palaisteich im Großen Garten, im Garten am Hygienemuseum  und an der Bautzner Straße in der Nähe des Albertplatzes zu sehen. Diese Plastiken stammen aus der Werkstatt Lorenzo Mattiellis und zeigen verschiedene Gestalten der römischen Mythologie.